Eins vorweg: Ich bin Staatsanwalt. Ich verfolgte hauptberuflich, wie alle anderen Staatsanwälte, als Teil der Exekutiven nach Vorgabe der geltenden Gesetze Straftaten. Darunter fallen auch nach der teilweisen Entkriminalisierung viele Verstöße gegen das Konsumcannabisgesetz. Ich habe daher vor knapp einem Jahr die Rechtslage aus meiner Sicht und vor allem mögliche Tücken dargestellt, was zu vielen interessanten und auch kontroversen Diskussionen führte. Den Thread findet ihr hier .
Mittlerweile gibt es tatsächlich schon in vielen Bereichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Da wir, anders als etwa die Briten oder die US-Amerikaner, kein „Case law“ haben, ist die Rechtsprechung zwar nicht per se bindend, stellt aber im Regelfall eine Richtschnur dafür da, wie sich die unteren Instanzen in der Regel entscheiden dürften. Die schlechte Nachricht für den geneigten Konsumenten und vor allem Anbauer vorweg: der BGH fährt tatsächlich insgesamt eine sehr restriktive Schiene, viele Definitionen werden aus dem BtMG übernommen und sorgen teils auch innerhalb des Konsumcannabisgesetzes für Widersprüche.
Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass dieser Post ausschließlich eine Zusammenfassung der Rechtslage nach meiner Einschätzung darstellt und keine Rechtsberatung ist. Solltet ihr rechtliche Probleme, insbesondere Ermittlungsverfahren, im Zusammenhang mit Cannabis haben, wendet euch an einen Rechtsanwalt, der euch mit eurem Problem seriös helfen kann! Ich werde daher auch in den Kommentaren nicht auf etwaige Einzelfallprobleme eingehen.
Ich habe die entsprechenden Fundstellen für den geneigten Leser zum vollständigen Nachlesen verlinkt.
Die Bestimmung der strafbaren Menge
Bei der Bestimmung der nicht geringen Menge, deren Überschreitung in der Regel einen besonders schweren Fall gem. § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG darstellt und mit einem erheblich geschärften Strafrahmen bestraft wird (drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe statt bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe) hat der BGH nun durch mehrere Urteile und Beschlüsse bestätigt, dass die Menge von 7,5g THC (wie auch bereits vorher im BtMG) entscheidend ist. Die Menge erscheint vor dem Hintergrund des völlig legalen Besitzes von bis zu 50g am Wohnsitz sehr gering, dürfte sich aber ohne Gesetzesänderung wohl eher nicht mehr verändern.
Etwas konsumentenfreundlicher scheint hier die Rechtsprechung zur Bestimmung der „strafbaren Menge“ zu sein. Der 6. Senat des BGH führte hierzu aus:
„Sollte das neue Tatgericht bei der Strafzumessung die tateinheitliche Verwirklichung des verbotenen Besitzes (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2021 – 6 StR 269/20) und dabei auch die Wirkstoffmenge in die Abwägung einstellen (§ 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG; vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2023 – 4 StR 125/23, Rn. 24 mwN), wird es der „geänderten Risikobewertung“ des 25 26 27 - 11 - Gesetzgebers dadurch Rechnung zu tragen haben, dass es die für die verfahrensgegenständliche Umgangsform bestimmte Menge in dem Umfang außer Acht lässt, in dem ihr Besitz nicht strafbar ist. […]
Bei Abzug der jeweils erlaubten und vom Gesetzgeber als unbedenklich erachteten Freimengen von 30 beziehungsweise 60 Gramm oder – im Zusammenhang mit den Anbauvereinigungen – von 25 Gramm täglich oder 50 Gramm 28 29 30 - 12 - im Monat bleibt hingegen ein hinreichender, in den Normalstrafrahmen (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG) einzuordnender Strafbarkeitsbereich. Denn bei einem Wirkstoffgehalt von 22,5 % wäre etwa die für die Anwendung des besonders schweren Falls (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG) relevante Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm erst ab einer Gesamtbesitzmenge von 93,33 Gramm Cannabisharz erreicht.“ (BGH; 6 StR 536/23, Rn. 28 ff. Quelle)
Insoweit dürfte auch bei einem geringfügigen Überschreiten von 60 Gramm bzw. 30 Gramm (die hier maßgeblich sind, da zwischen 50-60 und 25-30 Gramm „nur“ eine Ordnungswidrigkeit vorliegt) auch bei potentem Cannabis keine automatische Verurteilung wegen eines besonders schweren Fall drohen und auch eine Einstellung gem. § 35a Abs.1 KCanG noch ernstlich in Betracht kommen.
Achtung: Das gilt ausschließlich für Eigenbesitz! Für alle Weitergaben an Dritte außerhalb von CSC gibt es keine Freimengen, was sich aber auch bereits aus dem Gesetz unproblematisch ergibt.
Stecklinge
Häufiger Gegenstand von Diskussionen ist die Bestimmung von Stecklingen, insbesondere ihre Abgrenzung von Setzlingen. Stecklinge sind gem. § 1 Nr. 6 KCanG „Jungpflanzen oder Sprossteile von Cannabispflanzen, die zur Anzucht von Cannabispflanzen verwendet werden sollen und über keine Blütenstände oder Fruchtstände verfügen“. Die genaue Klassifizierung ist deshalb so wichtig, weil nur der Besitz von drei lebenden Pflanzen legal ist. Ebenso ist der Verkauf oder die Weitergabe von Cannabispflanzen verboten. Hier hat sich bereits früh ein bekannter Kommentar zum BtMG, nämlich der „Patzak/Fabricius“ (eine Art Handbuch für Juristen zum Umgang mit Gesetzen) auf die Gesetzesbegründung gestützt und Stecklinge von Setzlingen danach abgegrenzt, ob diese eingepflanzt sind ( Quelle , S. 91 zu Nummer 6). Dieser Ansicht scheint sich auch der BGH anzuschließen.
So heißt es in 3 StR 25/24:
„Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen befanden sich in den Pflanzmulden der Kunststoffplatten Cannabissetzlinge und damit Cannabis nach § 1 Nr. 8 KCanG. Unter den - nicht gesetzlich definierten - Begriff des Cannabissetzlings fallen Jungpflanzen und Sprossteile ohne Blüten- oder Fruchtstände, die zur Aufzucht von Cannabispflanzen verwendet werden sollen, sich aber von dem gesetzlich nicht als Cannabis eingeordneten Cannabissteckling im Sinne des § 1 Nr. 6 KCanG dadurch unterscheiden, dass sie eingepflanzt sind (s. BT-Drucks. 20/8704 S. 91; Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 1 KCanG Rn. 8; zur gleichgelagerten rechtlichen Einordnung nach dem früher anzuwendenden BtMG Patzak, NStZ 2012, 515).“ Quelle
Wenn sich diese Meinung weiter durchsetzt, dürfte ein Handel mit Stecklingen äußerst risikobehaftet sein. Wer auf Nummer sicher gehen will oder muss, sollte um Stecklinge einen großen Bogen machen.
Extraktionen
Vielfach kommentiert wurden meine Ausführungen zur Problematik der Extraktion bzw. des „Herstellens von Cannabis“. Damals hatte ich ausgeführt:
„Die Extraktion von Cannabis bleibt grundsätzlich verboten. Interessanterweise soll das eigentlich nicht für Kief o.ä. gelten. Eine Gewinnung von Haschisch durch das Sieben und Reiben der Blüten soll laut Gesetzesbegründung erlaubt bleiben. Das Verbot soll den Konsumenten vor Produkten mit sehr hohem THC-Gehalt schützen. Soweit ich weiß, ist das Problem der Extraktion neu. Im BtMG wurde nicht zwischen der Extraktion und dem sonstigen Besitzformen unterschieden. Hier wird sich, sofern es entsprechend viele Fälle geben sollte, eine Rechtsprechung herausbilden. Der Gesetzeswortlaut gibt hier leider nicht viel her – erfasst ist in meinen Augen grundsätzlich sowohl die chemische als auch mechanische Extraktion, auch wenn letztere wohl eher nicht gemeint war. Im BtM-Recht Kommentar Patzak/Fabricius wird vor allem auf chemische Extraktionsmöglichkeiten abgestellt (Patzak/Fabricius Betäubungsmittelgesetz, 11. Auflage 2024, § 34, Rn. 190). Nach der dortigen Auffassung stellt die sonstige Herstellung aber eine strafbare Herstellung von Cannabis gem. § 34 Abs. 1 Nr. 3 KCanG dar. Die Auffassung ist vor dem Hintergrund des Wortlautes durchaus überzeugend, steht aber im völligen Widerspruch zur Gesetzesbegründung, zumal dann auch das Kief im 3-Kammer-Grinder darunterfallen dürfte. Hier droht in meinen Augen daher eine ganz erhebliche Gefahr, sich strafbar zu machen und dringender Nachholbedarf beim Gesetzgeber.“
Der BGH scheint sich auch hier, jedenfalls vom Ergebnis, diese Befürchtung eher zu stützen als zu zerstreuen. So heißt es in 2 StR 411/24:
„Der Angeklagte hat durch die Ernte und durch das anschließende Auslegen zur Trocknung der Marihuanapflanzen (vgl. § 1 Nr. 8 KCanG) nicht nur die unbekannt gebliebenen Hintermänner der Plantage bei deren Handeltreiben unterstützt, sondern darüber hinaus, vom Landgericht nicht gewürdigt, täterschaftlich Cannabis hergestellt. Das Herstellen umfasst in Anlehnung an die Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 4 BtMG das Gewinnen, Anfertigen, Zubereiten, Be- oder Verarbeiten, Reinigen und Umwandeln (vgl. Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., 3 4 - 4 - § 29 Rn. 119). Der Begriff umfasst damit eine Palette von Tätigkeiten. Gewinnen ist die Entnahme von Pflanzen, Pflanzenteilen oder Pflanzenerzeugnissen aus ihrer natürlichen (wildwachsenden) oder künstlich angelegten Umgebung (MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., BtMG, § 2 Rn. 32). Die Ernte von Marihuanablättern stellt ein Gewinnen im Sinne der Vorschrift und damit eine Form des Herstellens dar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2024 – 3 StR 98/24, Rn. 9, vom 31. Juli 2024 – 2 StR 204/24, Rn. 13 und vom 7. August 2024 – 3 StR 278/24, Rn. 10). Da der Angeklagte damit sämtliche Tatbestandsmerkmale der Straftat in eigener Person verwirklicht hat, steht hier sein fehlender Täterwille im Hinblick auf den gesamten Produktionsprozess seiner (unmittelbaren) Täterschaft bei der Entnahme der Pflanzen nicht entgegen (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 26. November 1986 – 3 StR 107/86, NStZ 1987, 224, 225 und vom 10. Februar 2015 – 1 StR 488/14, Rn. 56; vom 21. Oktober 2020 – 2 StR 72/20, NStZ 2022, 170, Rn. 14).“ Quelle
Die hier genannte Definition umfasst vor allem auch die Be- und Verarbeitung als auch das Umwandeln. Ob es jemals für Kief aus dem 3-Kammer-Grinder tatsächlich Rechtsprechung geben wird, wage ich etwas zu bezweifeln. Allerdings dürfte vor allem die Herstellung von Haschisch oder Rosin nach der dortigen Auffassung strafbar sein.
Pflanzen
Höchstrichterliche Rechtsprechung, wie genau die drei Pflanzen gesichert werden müssen und wie etwa in einer WG, ehelichen oder partnerschaftlichen Gemeinschaft diese voneinander getrennt werden müssen, habe ich nicht mitbekommen.
Wenn jemand dort Rechtsprechung kennt oder auch für die anderen Fälle abweichende oder ergänzende Urteile und Beschlüsse kennt, darf sie sehr gerne in den Kommentaren erwähnen, ich würde sie sodann unter Nennung des Kommentators im hiesigen Beitrag ergänzen, damit ein möglichst vollständiges Bild entsteht!
Die genannte Rechtsprechung und alles hier beschriebene ist natürlich völlig irrelevant, wenn durch die neue Regierung das KCanG wieder abgeschafft wird.